Typische Lernwoche eines Medizinstudentens

Freitag, Januar 27, 2017

Ob Schüler, Azubi oder Student: jeder kennt sie, diese schlimme Zeit, die auf einen wartet und die weltweit gefürchtet wird. Ihr ahnt es schon oder seid leider gerade selber davon betroffen: es geht um die Klausurenphase.

Da von Eurerseits öfters mal die Bitte kam, dass ich euch zeige, wie eine typische (Lern-)Woche bei mir im Studium aussieht, habe ich mal eine Woche genau dokumentiert.

Mediziner Montag

Montag, warum lässt du mich nicht aussschlafen? Nach dem Wochenende hält sich die Motivation
um 7 Uhr morgens in Grenzen. Aber hey, neue Woche, neues Glück. Bewaffnet mit Vorlesungsskripten, Textmarkern, Kulli, Block und PC gehe ich zur Vorlesung, die von 8-10 Uhr geht. So schnell wie möglich wird alles auf dem Skript mitgeschrieben, was der Prof sagt. Nur wenn die Haut am Phalanx proximalis am Daumen und an den Phalanges mediae des zweiten und dritten Fingers schön rot und eingedellt ist, weißt du, dass du gut aufgepasst und mitgeschrieben hast.
Weiter geht's um 10 Uhr mit einem Physiologie Seminar. In diesen Stunden vermittelt ein Prof Inhalte zu einem bestimmten Thema. Ich weiß nicht, ob die Professoren unter sich gewettet haben, wer am meisten Stoff in sein Seminar packen kann, aber unserer führt eindeutig. Darüber freue ich mich zwar, weil ich beim Seminar ganz viel lerne, aber zweiundhalb Stunden lang jede Sekunde aufzupassen und mitzuschreiben ist richtig anstrengend. Halb erschlagen schleppe ich mich um 13 Uhr zur Mensa. Köttbullar mit Preiselbeermarmelade, mit Käse überbackene Spätzle oder Buffet? Wenigstens gibt es eine große Essensauswahl, aber die Zeit ist knapp. Nach dem Mittagessen geht's nämlich direkt um 13:30 Uhr weiter mit dem Physiologiepraktikum. Kleine Muskeln hängen an einem Gerät, durch das wir elektrische Ströme fließen lassen können. Mit höherer Frequenz zucken die Muskeln schneller, bis es schließlich zum Tetanus kommt. Als ich frage, ob man sowas nicht auch ohne Tierversuche zeigen könnte, bekomme ich die Antwort, dass diese Versuche nicht als Tierversuche, weil die Tiere nicht explizit für diese Versuche umgebracht wurden. Eigentlich hatte ich jede Antwort erwartet, außer diese. Niemanden scheint es zu stören, also sage ich dazu auch erstmal nichts mehr. Es ist 17 Uhr, jetzt im Winter ist es draußen schon dunkel. Dieser Mangel an Vitamin D motiviert mich umso mehr, unter künstlichem Lampenlicht zu lernen. Von 17:30 Uhr bis 20 Uhr wird noch eine kurze Lernsession eingelegt. Anschließend koche ich mir etwas zu Abend, dusche und gehe schlafen. Da ich aber davor noch mit meiner Familie und meinem Freund telefoniert habe, ist es schon weit nach Mitternacht. Schnell werden die Augen zugemacht und gehofft, dass der Schlaf nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Desolater Dienstag

Nach einem anstrengendem Montag geht es am Dienstag wieder mit der Vorlesung von 8-10 Uhr los. Anschließend folgt von 10-12:30 Uhr das Physiologie Nachseminar, in dem über das vorherige Praktikum diskutiert und reflektiert wird. Meistens reflektiert nur der Prof für uns, aber gut, dafür schreibe ich fleißig mit. Heute haben wir zum Glück mehr Zeit zum Essen, sodass ich danach im Uni Café nicht nur einen Muffin mitnehmen, sondern in der Bib sogar einen der begehrten Lernplätze ergattern kann. Dort verweile ich dann mit Vorlesungsskript und Endspurt bis 15:45 Uhr. Von 16-18 Uhr geht es für mich nochmal an die Uni in den Histologie-Kurs. Mikroskop mit Kamera, PC und die mikroskopischen Präparate stehen schon bereit. Heutiges Thema ist der Gastrointestinaltrakt. Für mich sieht alles wie Kunst aus, und zwar mit einer zu großen künstlerischen Vorliebe für die Farbe Pink. Ein Prof erklärt uns, was wir sehen sollten und mit etwas Glück mikroskopiert er auch live mit, sodass wir auch sehen, was er meint und was wir genau in unserem Präparat suchen sollen. Anhand der Mikroskop-Kamera kann man sein Präparat auch auf dem PC sehen und davon Screenshots machen oder die Strukturen abmalen. Wenn wir Fragen haben, können wir uns auch immer an die
zwei Histo-Tutoren (Studenten aus dem höheren Semester) wenden, die durch die Reihen laufen. Nach dem Kunstunterricht geht es mit meinem Malbuch zurück zur Bib. Bisher habe ich diese Woche noch nicht so viel lernen können, und nach diesen zwei anstrengenden Tagen ist es auch schwierig, neuen Stoff in den Kopf zu bekommen. Deshalb bleibe ich nur bis 19 Uhr, danach fahre ich nach Hause, schnappe mir meine Sportsachen und gehe zum Sport, um den Kopf freizukriegen. Dieser geht von 20-22 Uhr. Bis ich dann zu Hause bin, geduscht und gegessen habe, ist es wieder nach Mitternacht, also werde ich wieder weniger als sieben Stunden schlafen. Jetzt hab ich sogar einen Namen für den nächsten Tag gefunden.



Müdigkeits Mittwoch

8 Uhr: Ich versuche, die Augen offen zu halten und gut zuzuhören. Zumindest habe ich heute außer der Vorlesung keine weiteren Termine. Von 10-13 Uhr lerne ich in der Bibliothek, dann geht es in die Mensa essen, und anschließend verweile ich von 14 bis 21 Uhr in der Bib, um mal mit dem Stoff voran zu kommen. Ab und zu gehe ich auch aus dem Gebäude, um frische Luft zu schnappen und eine kurze Pause zu machen. Meine Lernapp "Forest" musste ich leider neu installieren, sodass ich dieses Semester nur Tannen zum Pflanzen hatte, aber dank des heutigen Tages kann ich mir schon
bald eine neue Baumart leisten. (Wer die App noch nicht kennt: Man kann für eine bestimmte Zeit, nämlich zwischen 10 und 120 Minuten, einen virtuellen Baum pflanzen und wachsen lassen. Während dieser Zeit kann man mit seinem Handy keine andere App als Forest öffnen, da sonst der Baum stirbt. So könnt ihr selber bestimmen, wie lange ihr nicht mit eurem Handy rumspielen wollt. Außerdem kann man dann gut mitverfolgen, wieviel man an dem Tag schon gelernt hat und sieht somit seinen (langsamen) Fortschritt.) Um 21 Uhr geht es schnell noch Proviant kaufen, bevor ich nach Hause fahre und dort wie immer zu Abend esse und dusche.

 



Drakonischer Donnerstag

Es beginnt mit der "same procedure as every day"-Vorlesung und es folgt ein Biochemie Seminar, das
uns auf das Praktikum von heute Nachmittag vorbereiten soll. Um 12:30 Uhr wird sehnlichst gehofft, dass der Prof bald mit seinen Informationen durch ist, da das Praktikum bereits um 13 Uhr beginnt und man dann mit Kittel im Praktikumsraum bereit stehen soll. Es bleibt keine Zeit für die Mensa, also wird nur schnell ein Brötchen gekauft, das heute eben zum Überleben ausreichen muss. Zunächst werden die Versuchsdurchführungen mit dem Praktikumsleiter besprochen. Schnell muss ich noch 1 Liter Wasser exen, denn heute müssen unsere Urinproben untersucht werden. Nachdem wir vier verschiedene Versuche durchgeführt haben und auch die 40 Minuten "Bitte lassen Sie die Proben 40 Minuten bei Raumtemperatur stehen" abgewartet haben, sind wir endlich entlassen. Es ist erst 16 Uhr, also bleibt noch ganz viel Zeit, um in der Bib produktiv zu sein und Bäumchen wachsen zu lassen. Um 21 fahre ich nach Hause und freue mich auf den nächsten Tag.



Feierlicher Freitag


Womit beginnt wohl dieser Tag? Was, woher wusstet ihr nur dass ich da zur Vorlesung gehe? Jaja,
immer diese Stalker... Abgesehen von der Vorlesung steht heute nichts auf dem Plan, also wird es wieder so ein Bibtag wie Mittwoch. Inzwischen habe ich eine neue Baumart gepflanzt und bin stolz auf meinen virtuellen mit Limettenbäumen geschmückten Schwarzwald.
Abends wird noch mit der Familie telefoniert und da die kleinen Geschwister aktuell auch in der Prüfungsphase sind, trete ich noch als Nachhilfelehrer ein. Ziemlich erschöpft von der Woche lege ich mich ins Bett.


Hoch die Hände, Wissens-Wochenende!

Wochenende bedeutet leider weder entspannen, schlafen oder Netflix schauen, sondern die Repetitorien stehen an. Studenten aus dem höheren Semester präsentieren uns von 9-15 Uhr die wichtigsten Inhalte aus allen Themen, die wir für die Klausur wissen müssen. Deshalb ist es auch wichtig, den ganzen Stoff vor den Repetitorien zu lernen, da das Repetitorium (wie der Name schon sagt) eine kompakte Wiederholung des Stoffes ist und man sich optimalerweise nur zu den Sachen Notizen macht, die man entweder noch nicht gelernt, bereits vergessen und übersehen hatte. An einem Repetitoriums-Tag werden Inhalte präsentiert, die Professoren uns während zwei bis drei Wochen jeden Tag vorgetragen hatten. Dementsprechend anstrengend ist auch das Rep und anschließend bin ich selten zu etwas zu gebrauchen. Aus diesem Grund wird am Nachmittag die Wohung geputzt, Essen eingekauft und ein bisschen Freizeit nachgeholt.
Schließlich ist es geschafft und am Sonntagabend bin ich dankbar dafür, dass diese Wochen nur in der Klausurenphase so anstrengend sind.

Nicht jede Woche haben wir Praktika in allen Fächern und manchmal haben wir auch weniger Seminare. Ingesamt haben wir auch nur an vier Wochenenden Repetitorien, manchmal sogar nur am Samstag bzw. Sonntag und nicht an beiden Tagen. Allerdings wollte ich Euch mal zeigen, wie eine Woche bei mir in der Klausurenphase aussieht. Das sieht natürlich ganz anders aus, wenn im Folgemonat keine Klausur ansteht. Also macht euch bitte keine Sorgen um mich :D Man hat als Medizinstudent noch ein Leben und viel Freizeit, aber in der Klausurenphase ist das ein bisschen eingeschränkt ;)

Ist für Euch die Prüfungsphase auch so anstrengend? :)

Ich wünsche Euch auf jeden Fall ganz viel Erfolg bei der Klausurenvorbereitung und dann natürlich auch ganz viel Glück für die Prüfung! Bleibt schön fleißig :)

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1 Kommentare

Danke, dass Du dich dazu entschlossen hast, mir einen Kommentar zu hinterlassen. Ich freue mich über jede Meinung! :)

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