"Studygram" und was dahinter steckt - ein Interview

Dienstag, November 21, 2017


Was ist Instagram für dich? Selbstdarstellung? Oder bist du doch eher der heimliche Beobachter und Mitleser?
Instagram kann auf verschiedener Art und Weise verwendet werden und auch ich habe mich gefragt: "Warum mache ich das Ganze eigentlich? Was bedeutet für mich Instagram?"
Das Ganze geschah eher zufällig, als ich und einige weitere "Studyaccounts" ein Interview zu diesem Theme geben durften. Allerdings wurden die Interviews meines Wissens nach nie veröffentlich (zumindest habe ich es nicht mitbekommen), doch da ich selber erst ein bisschen über die Antworten zu den Fragen nachdenken musste und ich es ganz sinnvoll fand, das alles zu reflektieren und zu hinterfragen, dachte ich, dass ich das Interview für Euch auf meinem Blog veröffentliche.

Viel Spaß beim Lesen :)






Das Interview:


1. Kurz zu dir: Wie alt bist du? In welchem Fachsemester studierst du welchen Studiengang?


Aktuell bin ich 19 Jahre alt und studiere im 5. Semester Zahnmedizin.





2. Deine ersten Instagram-Bilder sind noch aus deiner eigenen Schulzeit. Warum hast du damals den Account gestartet?


Wahrscheinlich kommt jeder, der ein NC-Fach studieren möchte, bei den Abi-Prüfungen unter enormen Druck. Gleichzeitig macht man sich bereits nebenbei Gedanken über das bevorstehende Studium und die baldigen Bewerbungen. Auf Instagram bin ich auf Study Accounts gestoßen, die gleichzeitig mit mir Abitur schreiben. Auf diese Weise habe ich aus den verschiedensten Ecken Deutschlands Schüler kennengelernt, die dieselben Gedanken, Wünsche und Zweifel wie ich hatten. Ich fand es schön, mich mit ihnen anonym auszutauschen und sich gegenseitig in dieser wichtigen Lebensphase zu unterstützen. Und um richtig mitzumischen musste dann natürlich auch ein persönlicher Account mit eigenen Bildern her.


3. Warum betreibst du den Account heute?

Instagram ist zu meinem Studien-Tagebuch geworden. Ich berichte von meinen Wünschen, Träumen und Zielen, aber genauso wie meine Erfolge werden auch meine Misserfolge offengelegt. In meinen Texten möchte so nah wie möglich von der Realität meines Studiums berichten. Und es freut mich dann auch, dass ich manchmal persönlich angeschrieben werde und es Nachfragen und Rückmeldung zu meinen Posts gibt. Insgesamt würde ich also sagen, dass mein Account mehrere Funktionen hat: Zum einen habe ich so eine schöne Erinnerung an meine Studienzeit und vorherigen Semestern, zum anderen kann ich mich mit anderen Studyaccounts austauschen und wenn es möglich ist vielleicht auch anderen weiterhelfen, die vor den selben Problemen wie ich stehen.


4. Während andere Studenten Party- und Reisebilder auf Instagram posten, zeigst du regelmäßig deinen Schreibtisch. Woher kommt diese Leidenschaft für deinen Arbeitsplatz?


“Leidenschaft für den Arbeitsplatz” ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass ich nicht in meinem Leben meine Arbeit nur “absitzen” oder mich stur durchquälen möchte. Vielmehr versuche ich mittels Instagram meinen Lernalltag etwas bunter zu machen und durch meine Berichte und den Austausch mit anderen studygrammern eine dynamische Arbeitsatmosphäre herzustellen. So ist man in Wirklichkeit nicht alleine in seinem Keller mit der flackernden Neon-Röhre, sondern sitzt stattdessen gemeinsam im selben Boot.


5. Unter deinen Instagram-Bildern schreibst du über deine Lernmethoden und deinen Lernalltag – warum ist es so wichtig sich so viele Gedanken um seine Studiums-Organisation zu machen? Welche Rolle spielt Struktur und Planung in deinem Studium?


Gerade in einem Medizinstudium muss man sehr viele Lerninhalte in sehr kurzer Zeit lernen. Vielen fällt es besonders schwer (inklusive mir), “die” perfekte Lernmethode zu finden. Ich denke, dass jeder Medizinstudent mir zustimmen würde, dass ein gesundes Maß an Organisation unabdingbar ist. Und weil ich bereits ein bisschen durch diesen Prozess gegangen bin, hoffe ich, dass ich durch meine Erfahrungen und Lerntipps anderen Schüler und Studenten beim Lernen weiterhelfen kann. Aber das funktioniert natürlich nicht nur in die eine Richtung und ich freue mich auch über jeden Tipp den ich bekomme ;)


6. Wenn man deinen Instagram-Feed anschaut, fällt schnell auf, wie ästhetisch und schön alles aussieht. Ist dein Lernalltag wirklich so schön? Oder wird er nur durch Instagram so hübsch?



Für gewöhnlich mag ich es gerne beim Lernen auch eine ästhetische Umgebung zu haben und versuche das in meinen Bildern so hinzubekommen, wie es mir auch selber gefällt. Auf der anderen Seite ist natürlich aber auch klar, dass das im Alltag häufig so nicht funktioniert und Lernen nunmal nicht immer so aussehen kann. Wer meine Texte zu den Bildern liest, bekommt aber nicht nur die optischen Höhepunkte meines Alltages zu Gesicht, sondern auch die Erfolge und Tiefpunkte. Ich versuche also, auch wenn das natürlich nicht immer funktioniert, eine Balance zwischen der Ästhetik (bei der es natürlich schon auch bei Instagram geht) und einer adäquaten Darstellung meines Alltages zu halten.


7. Die meisten Instagram-Lernprofile sind von Medizinern und Juristen – den typischen „Fleißfächern“. Ist Instagram ein Ventil um all’ den Stress rauszulassen?

Wenn man in der Klausurenphase im Stress versinkt und sich nichtmal mehr in seinen Lernunterlagen zurechtfindet, kann es durchaus ein Ventil sein, auf Instagram seinem Ärger und seiner Verzweiflung Luft zu machen. Es ist dann auch wirklich erleichternd, wenn man hört, dass es anderen genauso geht und das gibt auch Motivation nicht das Handtuch zu schmeißen. Aber wenn ich mal an meine Grenzen komme bin ich nicht nur auf Instagram, sondern versuche auch anderweitig meine Gedanken wieder zu sortieren - wie zum Beispiel beim Unisport. Das wichtige ist einfach nur ein bisschen Abstand zu gewinnen. Dann geht es meistens wieder.

8. Welche Rolle spielt Selbstoptimierung bei „studygram“ – jeder kontrolliert jeder beim Lernen? Baut das gegenseitig Druck auf besser (schnell, produktiver) zu werden?


Von aktiver Kontrolle kann wohl nicht wirklich die Rede sein. Aber es stimmt wahrscheinlich schon, dass es unterbewusst Druck ausübt, wenn man dauernd sieht wie alle anderen fleißig am Büffeln sind und man selber nur lustlos rumsitzt. Ob alle nur weil sie Bilder von ihren Lernsachen posten, dann auch wirklich fleißig sind ist aber nochmal eine andere Frage.
Dieses Phänomen ist aber nicht wirklich auf Instagram beschränkt. Auch durch die Uni und seine Kommilitonen erhält man immer das Gefühl, dass alle anderen fleißig sind und dass man jetzt auch loslegen muss um mithalten zu können. Dieser Seiteneffekt ist also wohl zu einem großen Teil ein psychologischer Effekt, der zwar motivieren, aber leider auch den Druck nur noch verstärken kann. Ich versuche mir dann einfach klar zu machen, dass ich nur in meinem Kopf denke, dass alle anderen nie eine Pause brauchen und ohne Probleme durchlernen können. Und ich denke das entspricht auch der Wahrheit - auch wenn einige wenige dieses Bild des beharrlichen Arbeitstiers von sich produzieren wollen. Sowohl an der Uni als auch online.
Auf Instagram kann man aber auch der anderen Seite mitbekommen, da auch viele über ihre Motivationsschwächen berichten und das hilft dann die Lage etwas gelassener zu sehen. Deswegen bin ich auch immer wieder überrascht wie viel positive Rückmeldung und Zustimmung ich auf Posts erhalte, in denen ich dieses Problem schildere.


9. Wie erklärst du dir den „Lernkult“ bei Instagram? Was bedeutet die „community“ für dich?

Ich denke auf Instagram lässt sich für alles, was Menschen bewegt, eine Community finden. Schule ist selbstverständlich ein wichtiger Lebensabschnitt und für viele ist das Studium dann nach dem Abitur der nächste Weg. Lernen ist nun einmal dann für einige Jahre ein großes Thema und es ist nur natürlich sich darüber dann austauschen zu wollen. Das schöne an der Community ist dann eben, dass dieses gemeinsame Schaffen verbindet und viel Gesprächsstoff gibt. So findet man Gleichgesinnte und digitale Freunde (die nicht unbedingt digital bleiben müssen). Dass es dabei ums Lernen geht ist für das “Phänomen” dann wohl erstmal zweitrangig.


10. Du hast fast 20.000 Follower. Woher kommen die alle? Du beeinflusst so viele Menschen in ihrem Lernalltag – wie fühlt sich das an? Hast du ein Ziel das du damit verfolgst?



Am meisten folgen mir natürlich Schüler und Studenten, aber immer wieder melden sich auch Menschen aus anderen Lebensabschnitten und nicht deutschsprachigen Regionen der Welt zu Wort. Es macht mich natürlich glücklich, dass sich andere für das interessieren was ich auf Instagram mache und wo ich durchaus ein gutes Stück Arbeit reinstecke.
Als ich in der Schule war, musste ich mich beispielsweise zwischen dem Human- und dem Zahnmedizinstudium entscheide und hätte gerne gewusst, was die genauen Unterschiede zwischen den beiden Studiengängen sind. Fakten zur Studiendauer und Fächerstruktur, gibt es im Internet zu Hauf. Aber wie sieht es mit dem wirklichen Unialltag aus? Sind die Lerninhalte schwierig zu lernen? Gibt es neben dem Studium überhaupt noch Freizeit? Das sind alles Fragen, die ich mir gestellt habe, und auf die ich kaum Antworten gefunden habe. Heute versuche ich genau diese Lücke zu füllen und merke auch durch die vielen Anfragen von Schülern und Studenten, dass es durchaus eine hohe Nachfrage danach gibt.


11. Wirst du gesponsert? Wie gehst du mit Werbe-Anfragen von Unternehmen um?


Mir werden immer wieder Kooperationsanfragen angeboten, allerdings lehne ich den Großteil davon ab, weil es wohl sehr heuchlerisch wäre Produkte zu bewerben hinter denen ich nicht stehe und die nicht zu mir und meinem Account passen. Ich mache mir ja auch nicht die ganze Arbeit nur um am Ende eine Werbeplattform zu sein. Mit make up Firmen kann ich beispielsweise nicht kooperieren, da es etwas seltsam wäre, wenn ich plötzlich anfangen würde, von vollen Wimpern zu schwärmen. Selten kommt es aber mal vor, dass es eine Anfrage gibt, die zu meinem Profil passt, mit einem Produkt, das ich tatsächlich gut finde. Ich frage mich dann einfach, ob ich mir auch ohne die Anfrage vorstellen könnte darüber einen Post zu schreiben und wenn ja, dann finde ich es durchaus ok die Kooperation einzugehen, da sie meinen Feed bereichert. Das passiert aber, wie bereits gesagt, nicht sehr häufig und ich verfolge Kooperationen nicht als aktives Ziel.


12. Kannst du einschätzen wer dir folgt? (Eher Mädchen oder Jungen, eher jünger oder etwas älter? Nur Zahnmediziner, also Leidensgenossen? etc.)


Instagram bietet die Funktion an, Informationen über die eigenen Follower zu geben, sodass ich weiß, dass ca. ¾ meiner Follower weiblich und die meisten zwischen 14-24 Jahre alt sind. Viele sind Schüler oder Studenten, die natürlich auch die unmittelbare Zielgruppe eines Großteils meiner Posts ausmachen. Es ist aber trotzdem schön, dass sich ab und an auch Menschen aus ganz anderen Bereichen auf meinen Account verirren. Ansonsten folgen mir auch andere Study-Accounts, mit denen ich mich ja auch oft austausche. Sie interessieren sich genauso für meinen Lebensweg wie ich mich für ihren und davon lebt das Ganze natürlich auch.


13. Es gibt fast ausschließlich weibliche Studiums-Instagrammer. Kannst du dir das erklären?


Das ist natürlich nur sehr schwer zu sagen. Ich würde aber einfach vermuten, dass sich Männer im Schnitt nicht ganz so viel Gedanken um das Lernen machen, sondern es einfach pragmatisch sehen. Das ist aber wohlgemerkt nur im Schnitt und es gibt auch genügend Männer unter meinen Followern. Vielleicht ist es auch gesellschaftlich als “uncool” angesehen für einen Mann sich zu sehr um seine Noten und den Lernstress zu sorgen, was dann auch den noch geringeren Anteil der männlichen studygrammer im Vergleich zu den an sich am Thema Interessierten erklären würde. Aber das sind aber wie gesagt lediglich Vermutungen.


14. Wie viel Zeitaufwand steckt hinter dem Account? (Wie viele Nachrichten bekommst du? Wie meisterst du das neben dem Studium?)


Pro Woche investiere ich vier oder mehr Stunden in meinen Account, es kommt immer darauf an, wie viel gerade an der Uni passiert und was ich gerade alles lerntechnisches so mache. Die Bilder sollen, was die Ästhetik betrifft, zum Feed passen und benötigen ein bisschen Zeit, bis sie zum Posten bereit sind, aber was wirklich viel Zeit in Anspruch nimmt, ist, die Texte zu schreiben, die unter die Bilder kommen. Bei meinem Account stehen die Textinhalte und nicht die Bilder im Vordergrund. Die Bilder sollen vor allem bisschen Neugier oder Interesse wecken und die Texte sind häufiger der Grund, warum sich Menschen überhaupt für meinen Account interessieren. Ich versuche regelmäßig zu posten, um meinen Account nicht nur aktuell zu halten, sondern auch um unter anderem zu zeigen, dass man selbst in einem Medizinstudium sich noch seine Freizeit nehmen kann und muss.



15. Du zeigst nicht einmal dein Gesicht in deinen Bildern, selbst dein Vorname ist unbekannt. Welche Rolle spielt Anonymität für dich?



Anonymität ist für mich besonders wichtig. Meine Kommilitonen wissen zwar, wer ich bin, aber wenn man manchmal kritisch von der eigenen Universität oder bestimmten Prüfungen berichtet und zwar eben nur nach der persönlichen Auffassung und nicht einer geschliffenen Stellungnahme, kann man sich nicht sicher sein, dass das nicht an die falsche Person gerät, die das dann persönlich nimmt. Meine weiteren Lebensweg möchte ich nicht aufgrund von Instagram gefährden und deshalb lege ich auf meine Anonymität großen Wert.
Zusätzlich gibt es einem die Möglichkeit nur durch seine Aussagen und seinen Charakter wahrgenommen zu werden, wo sonst im realen Leben Aussehen und Oberflächlichkeiten mit in das Bild einfließen. Allerdings kann das auch schief gehen, wenn sich Menschen meine Texte nicht genau durchlesen oder gerade nur die Texte anschauen, bei denen ich von stressigen Lernphasen berichte. Schnell kann der Eindruck erweckt werden, dass ich eine absolute Ober-Streberin bin, kein anderes Leben als Lernen habe und selbst online nur vom Lernen spreche. Das ist natürlich traurig, weil ich genau das eben nicht verkörpern möchte. Lernen ist nicht uncool und auch nicht nur für Streber, aber eben auch nicht das einzige was zählt.




Danke für das Interview!



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1 Kommentare

  1. Hallo medilifestyle,
    ich bin dir gerne auf Instagram gefolgt und habe jedoch gesehen, dass dein Konto auf einmal nicht mehr existiert. Ich finde es sehr schade, aber wahrscheinlich brauchst du eine Auszeit für dein Physikum.
    Alles Gute hierbei! Hoffentlich liest man hier mal von dir :-)

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Danke, dass Du dich dazu entschlossen hast, mir einen Kommentar zu hinterlassen. Ich freue mich über jede Meinung! :)

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